… die Gehaltsforderungen der Gewerkschaften explodieren. Das beste Beispiel ist ausgerechnet Krisenkonzern Boeing.
Erinnere dich bitte kurz daran zurück, wie die Tarifverhandlungen vor einigen Jahren noch aussahen. Was für Zahlen siehst du vor deinem inneren Auge? Ziemlich sicher, dass es nicht jene sind, welche heute bei den Arbeitgeber:innen auf dem Tisch landen.
Bei VW, Deutschlands prominentestem Krisenkonzern, fordert die IG Metall derzeit 7 Prozent Lohnplus und einige weitere Wohltaten. Das ist sogar relativ zahm im Vergleich zu einigen Zahlen, welche wir in den letzten zwei Jahren erlebt haben. Doch nichts schlägt, was gerade bei Boeing passiert.
Die Geschäftsführung bietet den Beschäftigten 30% Lohnplus. Die fühlen sich veräppelt, denn sie fordern 40%. Und gehen deswegen in den Streik.
Nicht übel, oder? Aber irgendwo auch nicht überraschend. Das Preisniveau hat sich in den letzten Jahren zwar längst nicht um 40% erhöht, aber die Inflationsphase hat den Wunsch nach Reallohnverteidigung oder -wachstum geweckt.
Hauptgrund ist aber vor allem, dass auch in der Luftfahrt ein Fachkräftemangel herrscht. Die Nachfrage ist hoch, die Zahl der erfahrenen Ingenieure in der Branche nicht sonderlich hoch. Und auch auf der Business-Seite ist der Flugzeugbau eigen genug, damit Boeing, Airbus und Co. vermutlich lieber an ihren bestehenden Mitarbeiter:innen in der Zentrale festhalten würden, als neue einlernen zu müssen.
Kurz gesagt: Die Angestellten wissen, dass sie ziemlich viel Marktmacht besitzen. Und nach der Inflationsphase sehen sie sich darin legitimiert, ziemlich beeindruckende Zahlen zu verlangen.
Für Boeing kommt das zur Unzeit. Der Konzern will eine Krise rund ums Qualitätmanagement und eine angeschlagene Reputation abschütteln. Da helfen weder höhere Personalkosten noch ein langer Streik. Ähnlich ergeht es VW, welches zeitgleich einen historischen Sparkurs andeutet und sich mit der Gewerkschaft über ein kräftiges Lohnplus streiten darf.
Das ist die Konsequenz des Fachkräftemangels: Er schadet der Unternehmenswelt. Hilft er aber immerhin den Arbeiter:innen? Kurzfristig schon, da sie ihre Verhandlungsmacht in mehr Geld oder bessere Bedingungen ummünzen können. Langfristig jedoch nicht, denn wenn die wirtschaftliche Basis eines Landes dahinbröckelt, dann spürt das irgendwann auch die Mehrheit der Mitarbeiter:innen.
So ziemlich jede:r hat also ein Interesse, den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Einige nur etwas akuter als andere.