Das neue Wahlprogramm der AfD lädt an vielen Stellen zu kontroverser Debatte ein. Doch nirgendwo irrt sie so stark wie beim Umgang mit EU und Euro, denn damit verpasst sie dem Fachkräftemangel Adrenalin und schadet unserer Wirtschaft.
Also, full disclosure: Ich werde die ganzen Wahlprogramme der großen Parteien hier noch ausführlich analysieren. In Kürze.
Aber eine Sache kann einfach nicht warten, und das sind die Ideen der AfD für die EU und den Euro.
Den “Dexit”, also Deutschlands EU-Austritt, fordert sie nicht mehr offiziell. Das ging ihr wohl zu weit, war ihr gesamtgesellschaftlich wohl zu abschreckend. Nicht einmal die anderen großen Rechtsparteien in Europa fordern ernsthaft einen EU-Austritt.
Das heißt aber nicht, dass die AfD diese Säule ihrer Programmatik aufgegeben hätte. Stattdessen will sie nämlich einen “Bund europäischer Nationen” schaffen, welcher als “europäische Wirtschafts- und Interessengemeinschaft” funktionieren soll. Quasi eine abgespeckte EU, welche mehr wie ein situativer Handels- und Kooperationspakt fungieren würde.
Und der Euro? Soll weg und durch die D-Mark ersetzt werden.
Es gibt einen Grund, warum jeder ernstzunehmende Ökonom gegen diese Vorschläge Sturm läuft. Sie würden für kaum ein Land Sinn ergeben, aber für Deutschland am allerwenigsten.
Einige der Gründe für diese Bewertung sind offensichtlich. Wir profitieren derzeit von weniger Handelsbarrieren dank der EU und dank des Euroraums (ja, unterschiedliche Währungen lassen die Transaktionskosten deutlich ansteigen!). Eine D-Mark würde gegenüber dem Euro deutlich aufwerten und damit unseren Exporteuren einen Genickbruch verpassen – wie gut, dass wir keine Exportnation sind. Moment mal…
Und dann ist da eben der Fachkräftemangel. Ihr wisst schon, der, der uns eh schon seit Jahren jagt, unseren Wohlstand abwürgt und keine Anstalten macht, nachzulassen.
Was würde wohl mit dem passieren, wenn sämtliche Freizügigkeitsregelungen der EU wegfallen? Hmm.
Unterstützer könnten nun einwenden, dass man anstelle dessen ja ganz selektive, ganz gezielte, ganz effektive, ganz wunderschöne neue Regeln einführen könnte. Die Arbeitskraftmobilität wieder herbeiführt, nur eben ganz genau ausgesuchte Arbeitskräfte!
Ach, bitte. In der Realität läuft das so nicht. Erstens: Wirf mal einen Blick auf Großbritannien. Das Land wird immer noch vom Brexit herumgeschubst, auch wenn die Covid-Krise und eine generelle Konjunkturschwäche das Desaster des EU-Austritts ein bisschen kaschiert haben.
Zweitens: Glaubst du wirklich, dass die deutsche Bürokratie schnell eigene neue Regeln aufstellen würde? Nein, glaubst du nicht.
Das Ergebnis wäre ein extrem langsamer, längste Zeit unvollständiger Prozess. Die Zuwanderung für europäische Arbeitskräfte wäre deutlich erschwert; die Rechtssicherheit für Ausländer:innen, die bereits im Land sind, wäre verkompliziert. Arbeitskräfte fallen weg.
Ironischerweise wäre das vielleicht weniger schlimm, da der katastrophale Effekt von EU- und Euro-Austritt auch so viele Firmen in den Ruin treiben könnten, dass der Arbeitskräftebedarf mal wirklich fallen könnte. Die AfD hätte in dem Fall den Fachkräftemangel “gelöst”, indem sie einfach massiv Wohlstand vernichtet hätte.
Und auf so romantische Punkte wie Friedenssicherung oder diplomatisches Gewicht auf der internationalen Bühne gehe ich hier noch nicht einmal ein. Aus einer ganz kühlen Interessenabwägung wäre es aus deutscher Sicht einfach nur dumm - wozu um den heißen Brei herumreden - die EU oder den Euro zu verlassen. Reformieren, sicher. Bedarf gäbe es reichlich. Die Sachen packen und gehen? Nein.