Die Wirtschaftsinstitute senken die Wachstumsprognose auf 0,1% herab - und im Subtext sagen sie auch etwas über den Fachkräftemangel voraus
Ihr habt wahrscheinlich schon mitbekommen, dass die fünf führenden deutschen Wirtschaftsinstitute vergangene Woche ihre Wachstumsprognose für 2024 gesenkt hatten: Auf 0,1 Prozent, nachdem im Herbst noch 1,3 Prozent angenommen worden waren. In der Welt der BIP-Prognosen ist das eine gigantische Herabwertung und ein schwacher Wert.
Die Gründe sind die Klassiker: Akute konjunkturelle Probleme (wenig Konsum, wenig Export, teure Energie, ein kapitulierender Bausektor, ...) gemischt mit strukturellen Dauersorgen (viel Bürokratie, hohe Steuern, teure Energie, demografischer Wandel,...).
Zu letzteren gehört natürlich auch der Fachkräftemangel. Über ihn haben die Ökonomen ganz implizit eine Prognose getroffen, aber eher im "Ferner liefen"-Teil ihrer Analyse, welcher es nicht so recht in die Schlagzeilen geschafft hat.
- Das Wachstum 2025 wird 1,4% betragen (Prognose damit unverändert)
- Die Inflation wird 2024 auf 2,3% sinken
- Das nominelle Lohnwachstum wird 4,6% betragen, macht also 2,3% reales Lohnwachstum
Was heißt das zusammengefasst? Firmen, welche jetzt vor lauter Konjunkturabschwung den Fachkräftemangel vergessen (ups!) und herunterskalieren, sprich Stellen abbauen, stehen bereits dieses und spätestens nächstes Jahr vor einer ganz üblen Zeit.
Das Wachstum wird 2025 wieder zulegen, was erneut steigende Kapazitäten verlangen wird. Das kräftige Reallohnwachstum deutet derweil an, dass die Ökonomen bereits im laufenden Jahr mit einem noch strafferen Arbeitsmarkt rechnen. Womöglich sehen sie die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmerseite auch als Resultat des aktuellen Arbeitsmarkts, ohne eine weitere Straffung anzunehmen, doch eine Lockerung steht ganz offensichtlich nicht bevor.
Klar, hierbei handelt es sich um eine gesamtwirtschaftliche Analyse. Wie die Lage in einer ausgewählten Firma oder Branche aussieht, ist natürlich noch einmal eine andere Frage (ich bin zum Beispiel sehr gespannt, wie es der Baubranche 2025 gehen wird...).
Aber ich merke im Arbeitsalltag regelmäßig, wie Firmen hoffen, den Fachkräftemangel einfach wegignorieren zu können. Obwohl er sich bei ihnen meist bereits durch teure, hartnäckige Vakanzen äußert. Heute nehmen manche eben den Konjunkturabschwung als Ausrede. Für viele Firmen ist das leider kein gutes Argument. Und die jüngste Prognose der Institute bekräftigt mich in der Ansicht eher noch, und das obwohl sie in der Kurzfrist noch mehr Wirtschaftsschwäche ankündigt. Aber Kurzfrist gilt nun mal nicht, wenn es um die eigene Personalstrategie geht.