Die vorgezogene Parlamentswahl in Frankreich hat ganz Europa gespannt gehalten. Der Fachkräftemangel war keines der medial ganz großen Themen, doch er wird das Geschick des Landes noch kräftig mitbestimmen
Der französische Startupverband France Digitale hatte keine spaßigen letzten Wochen. Die Startupbranche des Landes leide unter beunruhigten Investoren und pausierten Einstellungen. Der Grund: Die politische Unsicherheit rund um Macrons plötzlich angesetzte Parlamentswahl.
↪️ Lange sah es ja so aus, als würde der rechte Rassemblement National (RN) an die Macht kommen – oder zumindest als stärkste Partei ohne absolute Mehrheit den Premierminister stellen. Das Beunruhigende daran für den Startupverband: Die Partei will die Zuwanderung kräftig zurückschrauben und allein ihre Reputation hätte ausländische Fachkräfte bereits abgeschreckt.
↩️ Nun kam es anders und das Linksbündnis NFP hat sich überraschend durchgesetzt. Auch hier spielt der Fachkräftemangel mit hinein, wenn auch anders: Die NFP plant heftige Steuererhöhungen für Einkommen ab 4.000 EUR, worunter viele Fachkräfte fallen werden, sowie eine Wiedereinführung einer Vermögenssteuer. Das macht Frankreich im globalen Wettkampf um Talente weniger attraktiv. Höhere Steuern auf Unternehmen dürften derweil deren Befähigung, kompetitive Gehälter zu zahlen, senken.
Dazu kommt eine kräftige Erhöhung der Sozialausgaben, welche das inländische Arbeitspotenzial senken dürfte, sowie eine Umkehr von Macrons Rentenreform samt früheren Eintrittsalter. Beides ist ein Schlag ins Gesicht des Arbeitsmarkts.
Und zu guter Letzt wären da noch die makroökonomischen Risiken der Pläne der NFP. Preisdeckel, Verstaatlichungen, hohe Verschuldung und eine Aufkündigung bestimmter EU-Regeln… das kann Frankreich schnell in eine knifflige Lage bringen.
Es bleibt also auch mit dem Wahlerfolg der NFP ziemlich viel Unsicherheit. Dass sie keine absolute Mehrheit errungen hat, sondern auf Macrons zentristisches Ensemble-Bündnis angewiesen ist, ist ein gutes Zeichen – auch wenn das wieder eigene Probleme schafft, da Frankreich keine stabile Regierung haben wird.
Für das Land und gerade seine Startupszene ist es eine traurige Angelegenheit. Frankreich galt erstmals seit rund 15 Jahren plötzlich wieder als dynamisch, als attraktives Investitionsziel und sogar als ein wenig wachstumsstark. Startups wie Mistral AI, Verkor und Driveco sorgten für Aufsehen. Gleichzeitig waren das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung ziemliche Schönheitsfehler. In diesem Moment komplett auf Wirtschaftspopulismus umzusatteln und den Fachkräftemangel zu verschärfen, wäre ein übler Fehler. Hoffen wir mal, dass die Franzosen ihn vermieden bekommen.