Die Bundesregierung hat das Einbürgerungsrecht liberalisiert. Was das für den Fachkräftemangel bedeutet, ist nicht so ganz klar.
Erstmal ein kurzes Recap von dem Gesetz, welches es am Freitag nach monatelanger Diskussion endlich durch den Bundestag geschafft hat:
- Bereits ab 5 statt 8 Jahren dürfen Menschen sich in Deutschland künftig einbürgern lassen, in Ausnahmefällen sogar in drei Jahren
- Für Kinder von Ausländer:innen gibt es bereits bei Geburt die Staatsbürgerschaft, wenn die Eltern seit 5 Jahren oder länger im Land leben
- Eingebürgerte dürfen künftig ihre bisherige Staatsbürgerschaft behalten, die Doppelstaatsbürgerschaft ist also immer möglich
Wer mir folgt, weiß genau, dass ich den Fachkräftemangel als Priorität #1 für Deutschland werte. Also schaue ich mir auch dieses Gesetz durch diese Linse an. Können vereinfachte Einbürgerungen den Fachkräftemangel lösen?
Grundsätzlich erst einmal: Klar, wenn man Zuwanderung attraktiver macht, kriegt man mehr Fachkräfte. Die Möglichkeit, sich schneller und simpler einzubürgern, ist nichts als ein Bonus. Die aufenthaltsrechtlichen Hürden werden gangbarer, der Familiennachzug einfacher, die Perspektiven langfristiger - das Land wirkt einladender.
Ich kenne persönlich so einige ausländische Fachkräfte in Deutschland, welche nur darauf warten, endlich den Pass in den Händen halten zu dürfen. Sie wollen sich als Teil des Landes sehen, wählen dürfen, mehr Reisefreiheit genießen und das Stückchen mehr Rechtssicherheit im Land besitzen. Dasselbe dürfte viele Fachkräfte gelten, welche noch nicht in Deutschland sind, aber den Zuzug erwägen. Jackpot.
Andererseits könnte der Effekt aber auch überschätzt werden. Viele gefragte Fachkräfte sind international mobil und wollen sich gar nicht unbedingt langfristig an Deutschland binden. Viele haben bereits starke Pässe oder, falls nicht, können sich auch in einem anderen Land einbürgern lassen. Der Unterschied an Rechtssicherheit zwischen einer permanenten Aufenthaltsberechtigung und einer Staatsbürgerschaft ist in gewisser Hinsicht trivial. Und doppelte Staatsbürgerschaften helfen zum Beispiel den Inder:innen nicht, denn Indien verbietet die Dopplung.
In diesem Sinne kenne ich auch viele Fachkräfte, denen das neue Gesetz relativ egal ist. Ihnen geht es weniger um die deutsche Staatsbürgerschaft als die Lebensqualität im Hier und Jetzt: Gehalt, Firmenkultur, Sprache, Alltagsdiskriminierung, Leichtigkeit der sozialen Integration, Bürokratie und so weiter und so fort. Was nützt die Aussicht auf den Pass, wenn all diese Kriterien noch nicht stimmen?
Zusammengefasst ist das Gesetz aus Sicht des Fachkräftemangels erst einmal eine gute Sache. Es ist aber nicht hinreichend. Der Fachkräftemangel ist und bleibt ungelöst. Wir müssen noch so viel mehr tun - sowohl im Bereich Zuwanderung als auch in den vielen anderen Hebeln, welche wir beim Megathema Fachkräftemangel besitzen. Los geht's!