Rüstungskonzerne rekrutieren gerade sehr, sehr kräftig. Das berührt auch den Fachkräftemangel
Die Financial Times hat sich mal die Rekrutierungspläne der größten Rüstungskonzerne in Europa und den USA angeschaut. Kurz gesagt: Sie halten sich mit den Neueinstellungen derzeit nicht zurück.
- Allein 10 Firmen möchten 37.000 Stellen besetzen und damit ihre Belegschaft um 10% erhöhen
- Es ist die heißeste Phase für den Sektor seit Ende des Kalten Krieges
- Entlang aller Stufen wird gesucht: Handwerker:innen, Topmanager:innen, Ingenieur:innen, Cybersecurity-Expert:innen, etc.
Die meisten Mitarbeiter suchen die Waffenhersteller aus Frankreich und Italien: Thales und Leonardo, mit jeweils über 8.000 und 6.000 Vakanzen. Bei den beiden umfasst das allerdings auch den Ersatz abgehender Mitarbeiter:innen und bei Thales auch den Luftfahrtsektor. Vielleicht ist L3 Harris also ganz vorne, welcher ganz ohne Ersatz nach über 5.000 neuen Mitarbeiter:innen sucht. Rheinmetall ist mit knapp 3.500 Mitarbeiter:innen eher im Mittelfeld, steigert seine Belegschaft damit aber um rund 12%.
Die Gründe sind wohl recht klar: Der Krieg in der Ukraine und die insgesamt angezogene geopolitische Unsicherheit. Staaten steigern ihre Militärausgaben, also steigern Rüstungskonzerne ihre Kapazitäten.
Spannend ist für mich ja die Interaktion mit dem Fachkräftemangel. Die Rüstungskonzerne, welche bislang vielerorts kein Spitzenarbeitgeber waren (in Deutschland geradezu toxisch für Talente waren), sind plötzlich Player an den Märkten für Ingenieur:innen, Cybersecurity-Expert:innen, Manager:innen und mehr.
Ihr erhöhter Arbeitskraftbedarf trifft auf ohnehin bereits oft völlig überspannte Arbeitsmärkte. Er wird sich kurzfristig also nur durch Umverteilung lösen lassen: Sämtliche Cybersecurity-Expert:innen, welche zu Rheinmetall gehen, fehlen einem Konzern im zivilen Sektor. Oder besagter ziviler Konzern muss beim Gehalt höher mitbieten, was steigende Arbeitskosten und Preise für Kunden entlang der Lieferkette bedeutet.
Der Fachkräftemangel zwingt uns also in unschöne Verteilungsfragen. Aber das ist ja überhaupt nichts Neues, denn das tut er jeden Tag, Tausendfach. Nur sind diese Verteilungsfragen diffuser und unsichtbarer als "staatliche" Verteilung, sprich, die Distribution eines limitierten Haushalts durch einen einzigen handelnden Akteur. Hier geht es eher darum, wie der Erfolg eines Sektors auf Kosten eines anderen geschieht – das ist von außen schwieriger erkennbar und nachvollziehbar, doch ebenfalls sehr relevant.
Oder noch einmal ganz einfach gesagt: Solange wir den Fachkräftemangel nicht vernünftig angehen, wird uns die Sicherheitswende nie vollständig gelingen. Und jedes bisschen, dass sie es doch tut, ist mit mehr Schwierigkeiten anderswo erkauft. Das kann nicht der Weg sein.