Griechenland erlebt ebenfalls den Fachkräftemangel - warum das gleichzeitig eine gute und eine schlechte Nachricht ist
Spätestens seit 2010 gilt Griechenland als wirtschaftliche Krisennation, welche gerade so am vollwertigen Bankrott und Euro-Ausstieg vorbeigeschrammt ist. Und in den Jahrzehnten davor war es vor allem ein Emigrationsland, welches mit seinen geringen Gelegenheiten junge Arbeiter ins Ausland trieb. Zu Zeiten des Wirtschaftswunders waren knapp 800.000 Griechen in Deutschland.
Heute sieht es etwas anders aus. Griechenland sucht massiv nach Arbeitskräften: Allein im Hotelsektor blieben 2023 über 53.000 von 250.000 Stellen unbesetzt, wie das Handelsblatt berichtet. Dieses Jahr könnte sich die Lücke laut Tourismusverband noch vergrößern. Auch im Bau fehle es an 13.000 Stellen, in der Landwirtschaft an 113.000. Insgesamt seien aktuell 400.000 unbesetzte Stellen gemeldet - bei nur 4,3 Millionen (offiziell) Erwerbstätigen.
Hier also die gute Nachricht: Der starke Hunger nach Arbeitskräften ist ein Symbol für Griechenlands bemerkenswertes Comeback seit 2010. Von vielen relativ unbemerkt hat sich das Land deutlich konsolidiert, legt starke Wachstumsraten vor und hat seine Bonität wieder deutlich aufgebessert. Der Arbeitskraftbedarf im so wichtigen Tourismussektor ist wiederum ein Zeichen für dessen Erholung aus dem Covid-Tiefschlaf.
Die schlechte Nachricht ist ziemlich offensichtlich. Griechenlands Fachkräftemangel droht, das Wachstum abzuwürgen.
Gut, dass die Mitsotakis-Regierung das Problem verstanden hat und dagegen anrennt:
- Sie verhandelt Gastarbeiterverträge mit Ländern aus Osteuropa, Asien und Nordafrika (z.B. Indien, Georgien)
- will auch die Legalisierung von illegal eingereisten Migrant:innen vorantreiben, insofern diese eine Anstellung finden konnten.
Beides smarte Lösungen, welche ich vor 10 Jahren nicht erwartet hätte, im Kontext von Griechenland zu lesen.
- Dazu versucht die Regierung, eine negative demografische Entwicklung (Bevölkerungsschwund 2010 bis 2020: 5,9%) umzukehren, mittels Babyprämien, Steuervergünstigungen und subventionierten Immobilienkrediten.
Ebenfalls eine brilliante Idee, doch mit einem Effekthorizont von Jahrzehnten.
Der Fall Griechenland zeigt übrigens auch, wie komplex es beim Thema Fachkräftemangel zugehen kann: Mit 10,4% hat Griechenland die zweithöchste Arbeitslosigkeitsquote der EU, rund 495.132 Menschen. Wer da bereits den Taschenrechner zücken will, läuft leider ins Leere: Ein großer Teil davon gilt als strukturell arbeitslos und sehr schwer zu vermitteln, auch als Folge des "verlorenen Jahrzehnts".
Griechenlands Arbeitskraftkrise wird sich leider nicht so einfach lösen lassen, doch einen anderen Weg gibt es nicht. In Deutschland wissen wir genau, wie sich das anfühlt.