Die US-Großbanken JPMorgan und Bank of America schreiben ihren Jungbankern künftig 80 Stunden Maximalwochenarbeitszeit vor. Will heute denn niemand mehr arbeiten?!
Keine Sorge, es gibt natürlich bestimmte Ausnahmen. Während Live-Deals dürfen die Junior-Investmentbanker weiterhin lange Stunden arbeiten, bis hin zum berüchtigten “Magic Roundabout”: Bis in die frühen Morgenstunden arbeiten, ein Taxi nach Hause nehmen, es laufen lassen während man duscht und die Kleidung wechselt, und auf zurück zum Büro mit demselben Taxi.
Das Investmentbanking ist tatsächlich eine Welt für sich. 80 Wochenstunden – 13 Stunden pro Tag, angenommen auch am Samstag wird gearbeitet – wären überall anders ein Schock, dort kann es schnell vorkommen. Für mich hat das die Faszination eines Autounfalls: Nichts, was ich mir oder irgendwem wünschen würde, aber schwer wegzusehen.
Und doch erlaubt die Passion der Investmentbanker ein wenig Reflexion über “unseren” Fachkräftemangel.
Wir benötigen mehr Arbeitsstunden in Deutschland, das steht eigentlich fest. Unsere Gesamtarbeitszeit befindet sich zwar auf einem Rekordhoch, doch das liegt daran, dass sich die Bevölkerungszahl auf einem Rekordhoch befindet. Im Schnitt arbeitete jeder Deutsche 2023 genau 34,3 Stunden pro Woche, also 15% unter der Vollzeit. Über ein Drittel Teilzeitquote macht sich nun einmal bemerkbar.
Doch selbst wenn wir einen Zauberstab hätten, wäre das Investmentbanking-Modell nicht erstrebenswert. In einer Branche, welche hochkompetitive sowie höchst leistungs-, status-, und karriereorientierte Menschen anlockt, mögen regelmäßige Wochenarbeitszeiten jenseits der 60 Stunden funktionieren, doch in 98 Prozent der übrigen Branchen täten sie es nicht. Das Ergebnis wäre Burnout, niedrigere Produktivität, hoher Krankenstand, noch mehr Teilzeit, Ausstiege aus dem Arbeitsmarkt oder Abwanderung.
Am Ende stünden weniger effektive Arbeitsstunden als vorher. Und viel mehr Belastung für den Sozialstaat und das Gesundheitssystem.
In diesem Sinne müssen wir auch mit der Empfehlung “Mehr Arbeiten” als Lösung für den Fachkräftemangel ein wenig vorsichtig umgehen. Sie ist im Kern und in der Breite zwar korrekt, aber im Konkreten sollten Firmen (und wir als Gesellschaft) Überlastung und übermäßige Arbeitsverdichtung vermeiden. Die Peitsche geht nur ein Weilchen lang gut, bevor sie mehr Schaden anrichtet, als sie Nutzen bringt.
Das bemerkt übrigens in regelmäßigen Abständen auch das Investmentbanking. Alle paar Monate gibt es einen Skandal, weil ein (Junior-)Banker dermaßen überarbeitet ist, dass es zu einer Gesundheitskrise kommt. Zugegebenermaßen bleibt der Skandal meist kurzlebig. Das Investmentbanking ist nun mal etwas ganz Eigenes.